Lahr, Gerhard (1938 - 2012)

am 11.01.1938 in Reichenbach/Vogtl. geboren

1944-1952 Weinholdschule in Reichenbach

1953-1955 Lehre als Plakat- und Schriftmaler (Gebrauchswerber)

1956-1959 Studium Gebrauchsgrafik an der Fachschule für Angewandte Kunst Magdeburg

(unter Karl-Heinz Lange und dem Gebrauchsgrafiker Karl-Heinz Leue)

1959-1962 Tätigkeit bei der Deutschen Werbeagentur in Dessau

1962 Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig (1963 Abbruch)

ab 1963 freischaffend in Berlin / Künstlerkreis um Werner Stötzer

1967 bis 1990 Mitglied des Verbands Bildender Künstler der DDR

1978 eine Studienreise nach Archangelsk

1979 nach Venedig

Lahr arbeitete vor allem als Buch- und Zeitschriftenillustrator. Auf dem Gebiet des Kinder- und Jugendbuches gehörte er zu den bekanntesten und wichtigsten Illustratoren seiner Generation im Osten Deutschlands. Sein Werk umfasst über 150 Kinder-, Jugend- und Schulbücher.

Ehrungen

1969, 1972, 1973 und 1979 Preis „Schönstes Buch“ der Internationalen Buchkunstausstellung Leipzig

1982 Hans-Baltzer-Preis des Kinderbuchverlags Berlin für Illustratoren

Ehrenbürger der Stadt Reichenbach[

 

er starb am 23.11.2012 in Berlin


 

Annemarie Verweyen (Sammlerin) über Gerhard Lahr

Gerhard Lahr zählt sich zu den kindverbundenen Erwachsenen und sieht seine Möglichkeit, als Illustrator Kinder und Erwachsene zu formen, in ihnen die Freude an Kunst und künstlerischer Betätigung zu wecken.

Seine poesievollen Zeichnungen, Malereien, Linoldrucke und Bilder in Schabtechnik sind voller Witz, Frohsinn und Fabulierkunst. Die ideenreichen textilen und botanischen Collagen, seine mit künstlerischem Esprit geschickt ins Bild gesetzten Rätselspäße sind förmlich dazu prädestiniert, Kinder – und nicht nur Kinder – in ihren Bann zu ziehen.

In seinem Buch Wieviel Blätter hat ein Baum? Erzähl mir, was Du siehst bietet Lahr in doppelseitigen, farblich brillanten Gouachen und Aquarellen Atmosphäre und Ausgewogenheit innerhalb der Flächengestaltung, gibt dem kindlichen Betrachter Denkanstöße und informiert ihn gleichzeitig.

Mit lustvoller Heiterkeit läßt der Illustrator in Krawitter, Krawatter, das Minchen das Stinchen Farbe und Form freien Lauf: Seine Seitengestaltung bleibt nie gleich, das Verhältnis zwischen Textfläche und Bild wird von Seite zu Seite unterschiedlich behandelt. Lahr verdoppelt, reiht, rahmt seine Einfälle in variabelster Weise, wechselt vom Witz zum Comic. Seine Farbgebungen reichen vom zarten Aquarell bis zur kräftig deckenden Farbe, die er mit der Feder geschickt strukturiert, schraffiert, eingrenzt, die Bewegungsabläufe scharf akzentuierend.

Lahrs graphisches Repertoire ist gekonnt und differenziert. Stimmung, Poesie und Lebensfreude vermitteln seine Arbeiten zu Der Rittersporn blüht blau im Korn nach Texten von Heinz Kahlau. Das Doppelblatt Springkraut ist ein Musterbeispiel einer glückhaften Begegnung von Illustrator und Autor, von Bild und Text. Die Bildkomposition wurde trotz der Vielfalt der eingesetzten künstlerischen Mittel vorbildlich harmonisch aufgebaut. Das ideale Text-Bild-Verhältnis verleiht dem subtilen kleinformatigen Werk den besonderen Reiz. In welcher Weise die zierlichen Soldaten tätig werden, wie die Kanonen, Leitern und bewegten Figuren in die graziöse Pflanzencollage integriert sind, ist unnachahmlich und bezaubernd gelšst. Den Text überfliegend, landen die Samenkörner zwischen ihren schon keimenden Vorläufern auf der gegenüberliegenden Seite.

Mit besonderer Vorliebe widmet sich Gerhard Lahr Märchentexten. Die reichhaltige Ausdrucksskala seiner Collagen zu Hauffs Märchenbuch, zu dem er auch Einband, Schutzumschlag und Vorsatz lieferte, weist ihn als Meister dieser Technik aus. Bei den Illustrationen zu Zwerg Nase überlagern sich Lahrs Mittel: Naturalmontage steht neben Textilfrottage, geschnittene, mit Tusche überzeichnete Bilder wechseln mit reizvoll gerissenem Papier, in harmonischen Einklang gebracht durch seine Kunst der Pinselmalerei. Die Tiefe der Bilder zwingt den Betrachter zur genauen Ansicht, wobei seine Entdeckerfreude mit Sicherheit belohnt wird.

Mit seinem Buch Nador. Ein Tag im Leben eines Storches gelang Lahr ein künstlerisch hochwertiges Naturbuch. Die durchweg doppelseitigen Illustrationen sind märchenhaft-malerisch und überschreiten in ihrer Wirkung den informativen Charakter des Textes. Meisterhaft gelungene Linolschnitt-Technik ermöglicht eine überraschende Mischung der sich überlagernden Farben, die eine atmosphärisch dichte Stimmung hervorruft. Konturlos segeln und schwingen Lahrs Störche durch das Buch. Das Besondere seiner Linoltechnik ist die Verwendung einer einzigen Platte für die gesamte Farbgebung. Nach beendetem ersten Druckvorgang werden die weiteren Farben in die gleiche Platte geschnitten. Mit Wisch-, Schab- und Stiftausgleich erzielt Lahr einmalige Wirkungen. Dieser sogenannte Druck mit verlorener Platte erfordert äußerste Konzentration und großes künstlerisches Empfinden. Wie Lahr es erreicht, da§ das Gefieder seiner Störche so exzellent plustrig und strahlend weiß ausfällt, bleibt sein Geheimnis.

Seine Ästhetik, der phantasievolle Formenreichtum, die technische Vielfalt wird besonders deutlich, wenn Lahr klassische Texte der Weltliteratur für Jugendliche und Erwachsene bearbeitet. So halten die textbegleitenden, zahlreichen Feder-Tusche-Zeichnungen zu Jack Londons Phantastischen Erzählungen (1988) den Leser und Betrachter in Atem, orientieren und fesseln ihn zugleich. Die vignettenartigen Kleinformate strukturieren die bewegten, meist personenbezogenen spannenden Handlungen. Die selteneren seitenfüllenden Formate hingegen unterstützen das Bemühen des Illustrators, die Klassenkonflikte der Neuzeit durch Verfremdungen und Zuspitzungen eindringlicher und somit verständlicher zu machen. Einen besonderen Reiz besitzt der durchgängige Schwarz-Weiß-Gegensatz: Die geheimnisvolle, oft unheimliche, die Wirklichkeit überhöhende, indifferente Stimmung ist hautnah zu spüren.

Auch die Lust, mit der Lahr die Märchen von Musäus ins Bild gesetzt hat, überträgt sich auf den Leser, wenn er sich, die 320 Seiten durchwandernd, an den reizvoll bewegten, ja temperamentvollen, mit zarter Feder ausgeführten und mit Tusche lavierten Zeichnungen ergötzt. Er hat das Gefühl, er könne den Lippen der dargestellten Personen das gesprochene Wort ablesen: Hüte dich … sobald dir dein Leben lieb ist! Er hört förmlich die Kette des Gefangenen klirren, spürt die drohende, zwischen den Streithähnen stehende Schere beinahe im eigenen Leib. Dynamische, von Aktivitäten pulsierende Zeichnungen werden von farbigen Illustrationen unterbrochen. Zierende Titel- und Schlußvignetten, Einband und Vorsatz bilden den Rahmen des wichtigen Märchenbandes.

Gerhard Lahr beeindruckt mit seinen Werken, weil er mit ihnen während der Entstehung gelebt hat. Den Besucher zieht ebenso stark seine liebenswerte, verinnerlichte Persönlichkeit in ihren Bann.


Wir danken Herrn Norbert Lahr für die freundliche Unterstützung!

Quelle: https://gerhardlahr.de/gerhard-lahr%e3%83%bbillustrator-grafiker-maler/annemarie-verweyen%e3%83%bbsammlerin/

https://www.wikiwand.com/de/Gerhard_Lahr

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