Gottfried Schüler

  • 9.5.1923 in Falkenstein/Vogtland geboren
  • 1929-41 Schulbesuch – Abitur
  • 1941-45 Kriegsdienst, Gefangenschaft
  • 1945 Prüfung als Neulehrer
  • 1946-50 Studium an der Staatlichen Hochschule für Baukunst und Bildende Künste Weimar bei den Professoren Hans Hoffmann-Lederer (Bauhausvorlehre), Otto Herbig (Malerei und Grafik), Hermann Kirchberger (Wandmalerei), persönliche Förderung durch den Dozenten Hans Pfannmüller
  • seit 1950 freischaffend in Weimar
  • 1947-55 Lehre an der Volkshochschule für Akt-, Porträt und Figurenzeichnen
  • 1954-74 Lehrbeauftragter und Dozent an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar (heute Bauhaus-Universität). Unterricht in den Fächern Akt-, Porträt und Figurenzeichnen, druckgrafische Techniken, Struktur- und Kompositionsübungen, Tafelbildmalerei, Farbgebung, architekturbezogene Bildende Kunst
  • seit 1955 intensive Beschäftigung mit architekturbezogener Bildender Kunst, Ausführung zahlreicher Wandgestaltungen in Weimar Erfurt, Arnstadt, Nordhausen, Flughafen Berlin-Schönefeld, Palast der Republik, Berlin
  • 1958-81 Studienreisen u.a. nach Bulgarien, Moskau, Prag, Leningrad
  • seit 1968 verstärkte Hinwendung zur Tafelbildmalerei
  • 1975 Literatur- und Kunstpreis der Stadt Weimar
  • 1980 Honorarprofessor für Bildkünstlerisches Gestalten an der Hochschule für Architektur und Bauwesen, Professor auf Lebenszeit
  • 27.04.-26.05.1980 Ausstellung "Kleine Galerie im Göltzschtal" Museum Falkenstein / (siehe Artikel von Dr. Helmut Schubert unten)
  • 1980-85 Unterricht in künstlerischen Gestaltungen auf der Grundlage von „Bauhaus 1980“
  • 1989 Übersiedlung vor der Wende nach Osterode a.Harz
  • 25.12.1999 in Göttingen gestorben

Für Gottfried Schüler begann sein Lebenstraum mit dem Kunststudium 1946 in Weimar, wo er danach mehr als 4 Jahrzehnte freischaffend und als Lehrender wirkte. Er verließ 1989 die DDR und ließ sich in Osterode nieder, um dort ein beeindruckendes Spätwerk zu schaffen.

Es ist eine Besonderheit, eine Einzigartigkeit in den Arbeiten von Gottfried Schüler, die ihn nicht als d e n Landschaftsmaler, als d e n Porträtmaler, d e n Aktmaler- und Zeichner schlechthin einordnen lassen, es ist eben die ihm entspringende Schüler´sche Formsprache. Er entwickelte in intensiver Arbeit, in immer währender Zwiesprache mit der Natur, den Gesetzen der Natur, mit dem Universellen, dem Göttlichen seine künstlerischen Aussagen, die ganz aus seinem Innersten erwachsen sind und nicht durch äußere Zwänge und Vorschriften beeinflußbar waren. (Elke Gatz-Hengst)

Galerie Profil Weimar, Elke Gatz-Hengst, Geleitstr.11 / 99423 Weimar

www.galerie-profil.de

Ein Interview im Atelier 1994 in Osterode/Harz



Falkensteiner Kunstblätter Nr.2

Gottfried Schüler

als eBook hier

 


Gottfried Schüler „Magie der Natur“ 03.05.2019 / Falkenstein

Sehr geehrte Frau Adler / SPK

Herr Bürgermeister Siegemund

Ehepaare Döhling und Blechschmidt / falkart

Christoph Schüler und Gattin

vor allem zuerst den an der Ausstellung Beteiligten – Ehepaar Döhling, Ehepaar Blechschmidt – Ihnen möchte ich ganz herzlichen Dank sagen für die Initiative, die von Ihnen ausging und das schon vor einigen Jahren, hier in Ihrem Falkenstein der Kunst ein Gewicht zu verleihen, indem Sie ihr ein Gesicht geben, durch dessen Betrachtung und in Auseinandersetzung mit ihr eine positive Wirkung entstehen kann. Zudem kommt auch der Dank , dass Sie die Idee hatten, gerade in diesem Jahr, in dem sich alle Welt mit Bauhaus beschäftigt, sich für Ihren Beitrag mit dieser Ausstellung nun Gottfried Schüler ausgewählt haben. Es gibt da durchaus vielfältige Bezüge, auf die ich noch kommen werde, obwohl Gottfried Schüler kein Bauhäusler war (er wurde ja gerade erst im Jahr der großen Weimarer Bauhausausstellung von 1923 geboren).

Wir zeigen nun einen Künstler, der durch die Ereignisse und Strömungen des 20. Jahrhunderts geprägt wurde, und der hier seinen Ausgangspunkt hatte und uns ein authentisches reiches eigenständiges Werk hinterlassen hat.

G.Sch. wurde am 9. Mai 1923 in Falkenstein geboren, in der Unterstadt, im Haus des Großvaters (erbaut 1911) mit dem Geschäft „Kurz- und Schnittwaren Hermann Schüler“. Der hintere Anger und der Grund waren für ihn unerschöpfliche Motive, sowie die Landschaften ringsherum. Diese Natur hat er geliebt und in sich aufgesogen. Er ging hier zur Schule. Im Reformrealgymnasium, das er seit 1933 besuchte, war sein 2. Zeichenlehrer, Walter Thomas, derjenige, der für seine weitere Entwicklung ein wahrer Glücksfall war und dem er bis zu dessen Tod verbunden war. Bei diesem Lehrer und Künstler konnte er alles Verbotene „Entartete“ Bildmaterial aufsaugen – die französischen und deutschen Impressionisten, van Gogh und Cézanne, die Brücke-Maler und die vom Blauen Reiter, Barlach und die Kollwitz, Corinth, Beckmann und Nolde. Seine Eltern (beides Pädagogen) ließen ihn.

Ab 1940 war eine Münchner Freundin (die er auf einer Radtour nach Tirol kennenlernte) ein weiterer wichtiger Mensch, die sein Kunstinteresse beförderte, auch in den Jahren des Krieges. Diese Johanna Durach brachte ihn zu Prof. Oberberger an die Münchner Akademie. Aber erst nach Kriegsende konnte er an so ein Studium denken und da war es dann nicht München, sondern Weimar, wo er sich einschreiben konnte. Und in diesem Weimar erfüllt sich mit der Aufnahme an die 1946 zu Ostern neu gegründete Staatliche Hochschule für Baukunst und Bildende Künste der jahrelang gehegte Wunsch, Maler zu werden.

An der Hochschule waren durch den 1. Direktor Hermann Henselmann einige gute Dozenten und Professoren berufen worden, die selbst am Bauhaus waren. So erhielt G.Sch. durch Hans Hoffmann-Lederer die Grundlagen der Bauhaus-Lehre vermittelt, Hans Pfannmüller war sein Zeichenlehrer. So konnte er später selbst als Lehrender die Grundlagen der Ittenschen Farblehre weitergeben, wie auch Grundlegendes aus Feiningers Meisterkursen, was ebenso in seinem eigenen künstlerischen Werk eine individuelle Handschrift erhielt.

Diese ersten Jahre nach 1945 waren an dieser Hochschule für viele Künstler als auch Architekten eine sehr anregende und fruchtbringende Zeit, die allerdings durch die ab 1949 massiv einsetzende unsägliche Formalismusdebatte 1951 ein jähes Ende fand. Sch. konnte sein Studium noch beenden. In seinen Ateliernotizen (die eine Freude sind zu lesen, da er auch eine einzigartige Fähigkeit hatte hervorragend zu formulieren) können wir zu dieser Zeit folgendes lesen:

1951 | Tauwetter in Falkenstein. Mit Staffelei draußen. Hans Pfannmüller im Westen, das Studium abgeschlossen, Hochschule soll geschlossen werden. Steh ich jetzt auf den berühmten „eigenen Füßen“? Geht „es“ jetzt los, und wenn, wohin!? Laut offizieller Kunstkritik ist van Gogh ein Formalist wie auch Feininger, Marc, Chagall, - selbst Barlach und Kollwitz verdächtig, alle, die uns Idole sind! Was gegenwärtig hochgelobt wird, ist Scheiße!

1951 | Drei Wochen in Falkenstein, weg von allem, wie war das gut! Habe Winterbilder draußen gemalt, ohne Belastung, - vielleicht sind sie nicht schlecht, mein Gefühl beim Malen war gut!“

G.Sch. war also freischaffender Maler und auch Lehrender – viele Jahre als Dozent. Er war ein guter und hochgeschätzter Lehrer für spätere Architekten (mehrere Generationen), denen er sein Wissen weitergab im besten Sinn, mit den erworbenen Fähigkeiten einen praktikablen Umgang mit Form und Farbe in Einklang mit den Künsten (da stand auch immer die Forderung von ihm im Raum, dass Architekten und bildende Künstler vom Anfang eines Projektes an zusammen zuarbeiten) gute Architektur für den Menschen zu schaffen.

Seine Lehren dafür beruhten nicht auf blanker Theorie, er hatte selbst große und vielfältige Erfahrungen im Bereich der baugebundenen Kunst, was durch viele Objekte belegbar ist, wie z.B. Jena-Lobeda, Palast der Republik, Flughafen Berlin-Schönefeld, Interhotel Erfurt...

Erst 1980 erhielt er dann an der HAB eine Honorarprofessur. Seine Vorlesungs- und Übungsreihe nannte er „Bauhaus 1980“. Darin steckte das Rüstzeug für zukünftige Architekten bezüglich Farbe, Farbgebung, Farbempfinden, Materialität, Strukturen. Es sind die essentiellen Grundlagen. Schon Itten und Klee haben sich wissenschaftlich mit der Farbe befaßt, fußend auf den Traditionen der geschichtlichen Farblehren, der von Goethe insbesondere und mit einem erheblichen Anteil persönlicher pädagogischer Erfahrungen. Dazu kommt Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Kubisten auch noch eine Verselbständigung der Gestaltungsmittel Form, Farbe und Linie. Um das zu verdeutlichen

Wie wichtig Sch. die Farbe war, hier folgende Notiz:

So wie der Laut dem gesprochenen Wort farbigen Glanz verleiht, so verleiht die Farbe ihrer Form den emotional erfüllten Klang.“

Aus einem Zitat aus Goethes Farbenlehre: „ Die Menschen empfinden im allgemeinen eine große Freude an der Farbe. Das Auge bedarf ihrer, wie es des Lichts bedarf“ zieht er folgenden Schluß: ...daß Farbe ein emotional empfindbares Phänomen ist, das geistig-seelisch wirksam wird im Menschen und daß Farbe eine Notwendiglkeit ist, deren der Mensch bedarf. Also Farbe ist nichts Überflüssiges, ist kein Attribut, das man auch weglassen könnte, sie ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, deren Dringlichkeit bis in produktive Bereiche hinein nachweisbar ist.“

Er vermittelte das authentisch weiter, was auch für sein eigenes freies Werk Gültigkeit hatte. Das Fasziniernede daran ist auch das, was dieser Ausstellung ihren Titel gab: „Magie der Natur“.


Nun also mehr zum Werk und der Ausstellung.

Es ist eine Besonderheit, eine Einzigartigkeit in den Arbeiten von Gottfried Schüler, daß sie ihn nicht als d e n Landschaftsmaler, als d e n Porträtmaler, d e n Aktmaler- und Zeichner schlechthin einordnen lassen, es ist eben die ihm entspringende Schüler´sche Formsprache. Er entwickelte in intensiver Arbeit,

in immerwährender Zwiesprache mit der Natur, den Gesetzen der Natur, mit dem Universellen, dem Göttlichen seine künstlerischen Aussagen, die ganz aus seinem Innersten erwachsen sind und nicht durch äussere Zwänge und Vorschriften beeinflußbar waren.

Zum Stichwort „Natur“ gibt es 1974 eine aussagekräftige Notiz:

„1974 | Natur ist Plastisches in Bewegung, ihre Rhythmen, Intervalle, sind tageszeitlich, jahre-, jahrhunderte- und jahrtausendezeitlich. Der Maler darf guten Gewissens sich mit ihrem Ruhezustand befassen.“

Und wie Sie sehen können, haben G.Sch. mehr die Übergangszeiten der Jahreszeiten gereizt. Dazu 1975 folgendes:

„1975 | Reiche Naturerlebnisse in meiner Jugend haben meine Beziehungen zu ihr bis zum heutigen Tag vorgeprägt. In meiner Heimat liegt oft von November bis Mai Schnee, inbegriffen die Zeit der Schneeschmelze, die mich emotional stark berührt. In dieser nassen Zeit kriegen alle Dinge ihre schöne dunkle Tiefe an Farbigkeit – wenn alles Vertikale naß und farbig ist, und im Horizontalen die Flächen weiß und grau, dann schaffen Hell-Dunkel – und Farbbeziehungen den Zauber dieser Zeit voller Melancholie und Schönheit. ...Übergangszeiten sind interessanter als Standardzeiten, weil sie voller Bewegung sind.“

G.Sch. hatte in seiner Arbeit eine größere Liebe zu den Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die er vor der Farbe anfertigte – sozusagen vor der Natur. In einigen davon hier an den Wänden können Sie allerdings auch Notizen zu Farben lesen, die er vor Ort hinzugefügt hat, um sich im Atelier zu erinnern.

Ich glaube, er hat die Formen und die ihnen innewohnenden Kräfte verinnerlicht und sich den dazugehörigen Farbraum und die Wirkung der Farben zueinander erdacht (wenn man so will – vor seinem geistigen Auge gesehen) und hat ganz emotional eine Komposition erschaffen, gleich einer Musik.

„Die Kunst ist eine Realität parallel zur Natur“, sagte er.

Dann haben wir noch die Gruppe der Kaltnadelradierungen, die - wie Sch. sagte, so nebenher entstanden sind, wenn die Lichtverhältnisse ein Arbeiten mit Farben es verboten. Von diesen kraftvollen Kaltnadelradierungen können wir Ihnen hier nur einen ganz kleinen Teil zeigen. „Die Direktheit der kalten Nadel kommt Sch.´s sicherem Formgefühl und seiner souveränen zeichnerischen Handschrift entgegen“{1}, sie sind Kondensationen der Naturmotive auf ihre grafische Struktur hin und besitzen einen erstaunlichen eigenen Ausdruckswert.

Die Drucke sind von einer erfreulichen Frische, z.B. die Dorfmotive, der Anger von Falkenstein u.a.

„Viele Abzüge sind im übrigen auf der alten Presse des Bauhauses gedruckt worden, die der Radierer Otto Paetz (aus Reichenbach i.Vogtl) , mit dem Sch. das schöne Atelierhaus am Historischen Friedhof in Weimar freundschaftlich teilte, pflegte und in den Justierungen erhielt, die schon Feininger für seine Drucke als optimal ermittelte und seinen Kollegen am Bauhaus, insbesondere Paul Klee, als Erfahrungswerte weitergab.“{2}

Auf dieser Presse wird übrigens auch heute noch im Atelierhaus von den dortigen Künstlern gedruckt – wie z.B. Roger Bonnard, Walter Sachs, Ullrich Panndorf...

In der Malerei G.Sch.´s beeindruckt am meisten das Prozesshafte, die Bewegung, die Dramatik, mit der er uns in das Wesen der Natur hineinführt und uns das Scheinbar Unsichtbare erkennen läßt. Wie er selbst sagt:

„1974 | Es geht darum, daß die Erfahrungen und Erlebnisse im Künstlerischen eine Qualität erringen, die sie normalerweise nicht haben.“

Die Authentizität des Werkes und die Glaubwürdigkeit des Künstlers liegen in Gänze in seinem autonomen künstlerischen Handeln. Aus den Werken geht eine fast suggestive Anziehungskraft auf den Betrachter aus. Weder Mode noch Markt haben ihn bestimmt, in aller Kompromißlosigkeit hat Sch. sein Werk bis 1989 entwickelt und dann auch nach dem Sommer 1989, seiner Ausreise, nach seinem Weggang aus der DDR nach Osterode i.Harz.

In seinem dort enstandenen Spätwerk hat er frei von allen Zwängen weitergearbeitet. In seinen letzten 10 Schaffensjahren sind Bilder entstanden, die eine starke expressive Farbigkeit besitzen und er hat nach wie vor viel vor der Natur gearbeitet und es sind einige der früheren Motive, der Landschaften, die ihm ans Herz gewachsen waren, neu entstanden, wie Sie hier sehen können, in den vielen Arbeiten aus den 90er Jahren.

Ich danke noch einmal Ihnen allen hier für die Einrichtung der Ausstellung und ich danke Christoph Schüler für die Bereitstellung der schönen und kostbaren Arbeiten, die Sie hier in den nächsten Wochen und Monaten sehen werden.

Und nun wünsche ich Ihnen und uns allen einen guten Abend mit diesen Malereien, Zeichnungen und Grafiken und hoffe sehr, dass es allen zur Freude gereicht.

Elke Gatz-Hengst / Galerie Profil Weimar / Geleitstr.11, 99423 Weimar

www.galerie-profil.de

Lit.

1| Katalog Galerie Oevermann. 1986, Frankfurt a.M.

2| Ebd.

3| Ebd.

andere Zitate stammen von Gottfried Schüler, aus dessen Ateliernotizen

 


 

Dr. HELMUT SCHUBERT

 

Ausstellung in der „Kleine Galerie" mit Gottfried Schüler

 

Im Frühjahr 1979 erreichte uns über den verehrten Bundesfreund Dr. Barthel eine Karte aus Weimar, deren Inhalt uns sehr freudig stimmte. Einer unserer bekanntesten Grafiker und Maler im Thüringer Raum fragte darin an, inwieweit die Möglichkeit bestünde, ausgewählte Kunstwerke in seiner Heimatstadt Falkenstein zeigen zu können. Nach gründlichen Vorbereitungen, eingeschlossen ein halbtägiger Besuch im Atelier von Gottfried Schüler, kann die Kreiskommission bildende Kunst nunmehr Ende April in der Kleinen Galerie im Göltzschtal der Öffentlichkeit Kunstwerke präsentieren, die durch ihre grafische und malerische Qualität jeden Freund der bildenden Kunst begeistern werden. Wer verbirgt sich hinter dem Namen dieses bemerkenswerten Künstlers, von dem u. a. sogar 4 große Tafelbilder im Palast der Republik hängen ?

 

Gottfried Schüler wurde am 9. 5. 1923 in Falkenstein/Vogtl. geboren, besuchte dort ab 1929 die Volksschule und von 1933 bis 1945 die Oberschule. Vielseitig künstlerisch angeregt und gefördert durch seinen Lehrer für Kunsterziehung Walter Thomas entwickelt sich bei ihm in diesen Jahren immer mehr die feste Absicht, einmal Künstler zu werden. Doch erst nach Zerschlagung des Hitlerfaschismus kann er diesen Wunsch realisieren, als er 1946 für ein Studium an der Hochschule für Architektur und Bildende Kunst in Weimar zugelassen wird. Viel verdankt er nach eigenen Aussagen seinen Hochschullehrern, insbesondere den Professoren Herbig und Kirchberger sowie dem Dozenten Hans Pfanmüller. Ab 1950 beginnt er dann freischaffend in Weimar zu arbeiten. An der Volkshochschule übernimmt er einen Zeichenzirkel, den er mehrere Jahre mit Erfolg leitet. Diese nebenberufliche erste kunstpädagogische Tätigkeit schafft günstige Voraussetzungen für seine Berufung als Dozent an die inzwischen umprofilierte Hochschule für Architektur und Bauwesen im Jahre 1954. Hier erhält er neben seiner Lehrtätigkeit in verschiedenen Bereichen der bildenden Kunst wichtige Anregungen auf dem Gebiete der architekturbezogenen bildenden Kunst, die für die weitere künstlerische Entwicklung Gottfried Schülers sehr bedeutsam werden. Er übernimmt im gesellschaftlichen Auftrag erste baugebundene Arbeiten, die ihn vielseitig künstlerisch fordern und auch fördern. Vor allem das Erproben neuer Materialien und Techniken im Hinblick auf Gestaltungsmöglichkeiten fasziniert ihn, so dass er sich über Jahre hinweg voll auf dieser Strecke engagiert. Nach Versuchen mit der Glasklebetechnik für ein Wandbild in einem Erfurter Kindergarten folgen Natursteinmosaikarbeiten in Erfurt und Bleicherode und später für Mühlhausen, Arnstadt und Erfurt eine Reihe technisch unterschiedlicher Keramikarbeiten. Von besonderem Interesse wird in dieser Schaffensetappe die bildkünstlerische Anwendung des Baustoffes Aluminium für Gottfried Schüler. Vor allem erzielt er damit eine neue künstlerische Qualität bei der Gestaltung organischer Strukturen auf rotem Keramikgrund für das Appartementhaus „Unter den Linden“ in Berlin. In weiteren Arbeiten, bei der sich der Künstler schöpferisch mit dem zentralen Problem der Synthese von Architektur und bildender Kunst auseinandersetzt, ist eine stärkere Zuwendung zu einer ausdrucksstarken inhaltlichen Aussage zu erkennen. Den Beginn macht das Wandbild im Interhotel „Erfurter Hof" „Die Reise um die Erde in 80 Tagen" nach Jules Verne. Dieser Weg wird im Neubaugebiet von Nordhausen sowie bei der Brunnengestaltung für den Marktplatz in Jena-Neulobeda fortgesetzt und erreicht mit den Edelstahlätzungen im Flughafen Schönefeld einen Höhepunkt.

 

Während unsere Ausstellung nur einen kleinen Teil der genannten baugebundenen bildkünstlerischen Arbeiten als Fototafeln zeigen kann, wird der Besucher in Gottfried Schülers ausgewählten Tafelbildern, Mischtechniken und Zeichnungen mit anderen Motiven konfrontiert. Vornehmlich sind es Naturdarstellungen thüringischer, vogtländischer und mecklenburgischer Landschaften mit ihren Städten und Dörfern. Dabei ist augenfällig eine sehr eigenwillige und dafür um so ausdrucksstärkere Gestaltung der Natur im unerschöpflichen Reichtum ihrer Formen und Farben. Hierbei steht etwa ab 1969 stärker als zuvor das für Schüler erregende Naturerlebnis im Zentrum seines künstlerischen Wollens. Ziel seiner grafischen und farbigen Kompositionen ist stets die Umsetzung seiner Gefühle, Gedanken, Sinneswahrnehmungen, Beobachtungen und nicht zuletzt seiner Reflexionen in eine künstlerische Form, die den Betrachter freudig stimmt, begeistert oder erregt, nachdenklich macht, kurzum starke bildkünstlerische Emotionen auslöst. So gesehen geht es dem Künstler als ein Mensch unserer sozialistischen Gesellschaft nicht um eine Naturschilderung schlechthin oder um die Gestaltung einer impressiven Stimmung, sondern um eine bewusste bildkünstlerische Interpretation des Geschauten und persönlich Erlebten. Er selbst bemerkt dazu „Bewegungsvorgänge in der Landschaft und im botanischen Leben sind nur in Rhythmen ablesbar, die nach Jahren oder gar nach Jahrtausenden zählen. Eine Baumwurzel bewegt sich in Jahrzehnten, geologische Strukturen in Jahrmillionen. So ist die Natur in ihrem momentanen scheinbaren Stillstand, in ihrem Reichtum an Formen die Summe unglaublich langer und langsamer Lebensvorgänge. Diese Schönheit der Natur für unsere Menschen wieder entdecken zu helfen, kann eine wichtige Aufgabe für den sein, der aus Freude an ihr sie zum Inhalt seiner gestalterischen Arbeit macht." Der Mut und die Freude am Experimentieren, am Suchen und Finden neuer Ausdrucksmöglichkeiten begleitet den Künstler auch bei seinen Naturdarstellungen. Originelle organische und bewegte Formen und Strukturen als interessante Mischtechniken mit Untermalungen und Lasuren, mit Eitempera und Kreiden, mit Schichtung, Deckung und Waschung erzeugen unterschiedlichste Form- und Farbnuancierungen, die von einfarbigen, sehr tonwertigen Darstellungen bis zu expressiven Bildgestaltungen getrieben werden. Diese für Schüler auffällige Formensprache lässt uns die Landschaft in neuer, meist noch nicht gesehener und erfühlter Weise erleben. Wir entdecken den Aufbau, den Reichtum an Form- und Farbgebung, die Proportionen, die Beziehungen von Feldern und Hügeln, von Buschwerk, Bäumen und Häusern. Besonders erleben wir die Natur im jahreszeitlichen Umbruch, das Wirken der Naturkräfte Wasser und Wind, die eine Veränderung der Landschaft bewirken. Bemerkenswert ist noch, dass der Künstler in der Natur vor dem ausgewählten Motiv nur skizziert, sich wenige schriftliche Notizen zur Farbe macht und dann im Atelier über Struktur- und Kompositionsstudien langsam und schrittweise zur endgültigen Form seines Bildes gelangt. Stets ist Gottfried Schüler einer zutiefst realistischen Formsprache im Dienste des bildkünstlerischen Inhalts verpflichtet, wodurch nachhaltige Eindrücke und Erlebnisse beim Betrachter ausgelöst werden und sich über das Kunstwerk ein schöpferischer Dialog zwischen Künstler und Rezipient entwickeln kann.

 

Ganz in diesem Sinne wünschen wir der 5. Ausstellung unserer Kleinen Galerie im Göltzschtal einen vollen Erfolg und dabei allen kunstinteressierten Bundesfreunden und Bürgern der näheren und weiteren Umgebung viel Freude und Genuss.

 

(Lit.: Katalog der Ausstellung Weimar Schwerin 1974 75)

Artikel „Auerbacher Kulturspiegel“ 4/1980 / Seite 60