Walter Helbig (1878-1968)
Falkenstein (Sachsen) 9.4.1878, Ascona 26.3.1968
Walter Helbig kommt am 9. April 1878 in Falkenstein in Sachsen zur Welt. Vater Bürgermeister
Rudolph Guido Helbig. Nach dem Unfalltod der Mutter zieht der Vater seine beiden Söhne alleine groß. 1895 erlaubt dieser ihm, sich an der Dresdner Kunstakademie einzuschreiben, wo er den
Unterricht von Carl Bantzer und Otto Gussmann besucht. Der Siebzehnjährige ist allerdings das permanente Zeichnen nach antiken Gipsköpfen bald leid, will er doch durch Fantasie und Handwerk einen
selbständigen Ausdruck in der Malerei finden. Eine Reise nach Italien, die er 1898 in Angriff nimmt, verspricht eine willkommene Abwechslung. In Florenz macht er die Bekanntschaft mit dem
Deutschrömer-Kreis und dessen Nachfolgern. Besonders beeindruckt zeigt er sich von der schlichten Form des weiblichen Körpers bei Hans von Marées sowie von dessen eigenem Farbenklang.
Zurück in Dresden hilft er Gussmann bei der Ausmalung einer großen Kirche. 1905 lässt sich der junge Künstler in Hamburg nieder, wo er die Pianistin und Altistin Elisabeth Goetze kennenlernt, die
er vier Jahre später heiratet. Häufig besucht Helbig Berlin, um dort Kontakte zu bekannten Künstlerkreisen zu pflegen. Er wird Mitglied der Neuen Secession, die sich aufgrund von
Zulassungsunstimmigkeiten von der offiziellen Berliner Secession abgespaltet hat, und macht über Otto Mueller Bekanntschaft mit den Malern der Künstlergruppe "Brücke". Außerdem hält er
Verbindungen zum "Blauen Reiter" in München, wo er 1911, im Gründungsjahr der Künstlergruppe, in der Galerie von Hans Goltz ausstellt.
Im Herbst desselben Jahres lässt sich Helbig zusammen mit seiner Frau in Weggis am Vierwaltstättersee in einem Haus mit angebautem, geräumigem Atelier nieder. Schon zuvor hat er in Briefen an
seine Frau einen diffusen Wunsch, auf dem Land zu leben, geäußert, allerdings nicht ohne die Bedenken, dass man dort "kaum das Gefühl, mal mitten drin zu sein" habe, "und daran liegt mir jetzt
gerade." Der Rückzug ins ländliche Weggis führt ihn jedoch nicht in die Isolation, sondern zu jungen Künstlern wie Hans Arp und Oscar Lüthy, mit denen er noch im gleichen Jahr den "Modernen Bund"
gründet. Die erste avantgardistische Künstlervereinigung der Schweiz versteht sich als Teil der internationalen Bewegung und will durch gemeinsame Ausstellungstätigkeiten das Interesse eines
breiteren Publikums für neue Kunstströmungen wecken. Dabei kann die Künstlergruppe von Helbigs Erfahrungen mit der Brücke und der Neuen Secession sowie von seinen diversen Kontakten zu
verschiedenen deutschen Gemeinschaften und Kunstszenen profitieren.
Helbigs Werke aus der Zeit des Modernen Bundes sind gekennzeichnet durch einen abrupten Wechsel von einer eher ideell geprägten Tonmalerei zu einer expressiven Formensprache. Vor allem in seinen
Holzschnitten, wo er die neuen Ausdrucksmittel zuerst erprobt, lehnt Helbig sich deutlich an die Brückemaler und deren archaisierende, abstrahierende Gestaltungsweise an.
1913 reist der Künstler, gemeinsam mit Arp und Lüthy, zum ersten Mal nach Paris. Ende Oktober zieht er sich an den Lago Maggiore zurück, wo er sich während einer künstlerischen Krise um den
authentischen persönlichen Ausdruck bewusst den übermächtigen Tendenzen von Abstraktion und Kubismus verschließt. Im Jahr darauf erkennt er beim Betrachten von Giottos Fresken in Padua, dass ihm
ob der Beschäftigung mit den neuen Ausdrucksmitteln die einfache Umsetzung des ursprünglichen, gefühlsmäßigen Erlebnisses verloren gegangen ist.
Nach seiner Rückkehr in die Schweiz zieht er mit seiner Frau nach Zürich, wo sie die kommenden zehn Jahre verbringen. Er unterhält Kontakte mit der Dada-Bewegung, beteiligt sich aber nicht an
deren eigentlichen Aktivitäten oder Soirées. 1919 ist er Mitunterzeichner des "Manifests radikaler Künstler", worin Ideen der Berliner Novembergruppe, insbesondere deren Ziel, die kommende
ideelle Entwicklung im Staate mitzubestimmen, aufgegriffen werden. Sein künstlerisches Schaffen nimmt nach dem Ersten Weltkrieg eine Wende hin zu religiösen und mythischen Themen. Der Malvorgang
als solcher gewinnt dabei an Bedeutung, während aus der tastbaren menschlichen Figur ein schemenhaftes Wesen wird.
1924 siedelt Helbig ins Tessin nach Ascona über und gründet, wie schon nach seinem Umzug nach Weggis, im selben Jahr eine Künstlergruppe. Die Vereinigung "Der grosse Bär" setzt sich, analog zum
gleichnamigen Himmelsgestirn, aus sieben Künstlern zusammen (u.a. Marianne von Werefkin, Albert Kohler und Ernst Frick). Auch diese Gruppe bleibt wie der Moderne Bund ohne Statuten und ist rein
praktisch ausgerichtet. Durch eine gemeinsame Ausstellungstätigkeit erhofft man sich beispielsweise mehr Resonanz beim Kunstpublikum.
Anregungen des synthetischen Kubismus führen Helbig 1930 zu abstrahierenden Bildern und er nimmt in Paris, wo er zwischen 1930–32 die Wintermonate verbringt, an Ausstellungen der abstrakt
arbeitenden Gruppe "1940" teil. Kurz darauf werden die Bilder wieder gegenständlicher, um dann gegen Ende der 1950er Jahre ihre Gegenständlichkeit vollends zu verlieren. Zeichen schweben vor
einem unbestimmbaren Bildgrund, die scharf umrissenen Formen lösen sich an den Rändern auf. In diesem Spätwerk verwirklicht Helbig das bereits früher verspürte Bedürfnis nach der Realisierung
eines inneren Bildes und nach der Gestaltung eines Farbklangs. Darin ist auch eine Konstante des Werks zu entdecken, das ansonsten durch eine Auseinandersetzung mit den verschiedensten
Stilrichtungen geprägt ist.
1968 organisiert Helbig seine letzte Einzelausstellung anlässlich seines 90. Geburtstages. Kurz vor der Eröffnung stirbt er am Abend des 26. März 1968. (Regine Fluor-Bürgi)
Ergänzung falkart e.V.:
Walter Helbig 1878 Falkenstein (Sachsen) – 1968 Ascona/ 1895–97 Studium in Dresden bei Carl Bantzer und Otto Gussmann./ 1897–99 Aufenthalt in Italien, wo er Arnold Böcklin, Adolf von Hildebrand und den Marées-Schülerkreis kennen lernte. Danach wieder in Dresden, befreundet mit Otto Müller, bekannt mit den anderen Brücke-Künstlern.
1910 beteiligt an der Gründung und der ersten Ausstellung der Berliner „Neuen Secession“. Noch im selben Jahr Übersiedlung in die Schweiz, Mitbegründer des „Modernen Bundes“. 1914 Teilnahme an der ersten Dada-Ausstellung in Zürich. Nach dem 1. Weltkrieg Wende zu religiösen und mythischen Themen. 1924 zog er nach Ascona und gründete dort die Künstlergruppe „Der große Bär“. 1933 wurden seine Werke als entartete Kunst u.a. aus den Museen in Essen, Mannheim und Erfurt entfernt. Helbig war u.a. mit Künstlern wie Hans Arp, Oscar Lüthy, Henri Matisse, Robert Delaunay und Henri Le Fauconnier bekannt.
Bilder und Texte: Museo comunale d'arte moderna / Collezione Comune di Ascona / Archivio iconografico
Bilder und Texte aus dem Ausstellungskatalog von 1993: Pinacoteca comunale Casa Rusca / Citta di locarno
Wir danken für die gute, freundschaftliche und konstruktive Zusammenarbeit !
Wir haben uns bemüht alle Rechteinhaber ausfindig zu machen. Sollten trotz sorgfältiger Nachforschungen berechtigte Ansprüche weiterer Rechteinhaber bestehen, wird um Kontaktaufnahme gebeten.
Die Texte zu den Holzschnitten stammen von Hans Arp (1886 - 1966)
Hans Peter Wilhelm Arp, auch Jean Arp (* 16. September 1886 in Straßburg; † 7. Juni 1966 in Basel) war ein deutsch-französischer Maler, Grafiker, Bildhauer und Lyriker. Er bewegte sich in den künstlerischen Kreisen der Konstruktivisten und der Pariser Surrealisten, wobei er 1916 den Dadaismus als eine literarische und künstlerische Bewegung als Antwort auf den Ersten Weltkrieg und gegen dessen soziale Konventionen in Zürich mitbegründete. Besonders eng arbeitete Arp mit seiner Frau Sophie Taeuber-Arp und zeitweise mit weiteren Künstlern, wie dem Konstruktivisten El Lissitzky, Max Ernst oder Kurt Schwitters, zusammen. 1930 wurde er Mitglied der Gruppe Cercle et Carré und ein Jahr später Mitbegründer der neuen abstrakten Pariser Künstlergruppierung Abstraction-Création.
Arps Œuvre ist vom dadaistischen Prinzip des Zufalls und ab den 1920er-Jahren von einer „Objektsprache“ des Alltäglichen geprägt. Besonders charakteristisch ist
seine Auseinandersetzung mit „biomorphen“, naturnahen, gerundeten Formen, die sein Werk bis heute unverkennbar machen. https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Arp
Bild: 2v.l. H. Arp / rechts W. Helbig
Die Häuser sind treue Häuser
schlicht
und gut gebaut.
Obwohl es Sternenhäuser sind
juckt sie kein Feuerschweif.
Von drei spielenden Kindern
ist eines unschlüssig,
ob es wie ein Frosch forthüpfen soll.
Das zweite sitzt wie ein Richter da.
Das dritte spürt sich bitter gekocht.
Die Landschaft
trägt in ihrem Busen
ein abstraktes Herz.
Es schlägt wie der Puls
des Besten.
Die Badenden haben sich
in Bergen
gebadet.
Dies
sind keusch gestrickte Akte.
Der Heilige
ist ergrimmt
weil er von seiner Predigt
nichts versteht.
Der Abschied
ist herzzerreissend.
Der Ritter
hat sich entbuhlt
und reitet ins Koloster.
Die Illustration
ist besonders für Sterne
leicht
lesbar.
Die Anbetenden
beten auf jeder Stufe
das Jesuskind an.
Das Porträt zeigt
dass auf den Busch geklopft worden ist.
Es zeigt das Vielfältige
des Holzschneiders.
Der heilige Tag erleuchtet die Leidenden und die
irdisch Verklungenen.
Ist dies der Lehrer
der mich in der Sexta
an den Rand der Verzweiflung brachte mit seinem Regelspruch -
Die Neutra sind auf o
die Wörter auf ein
do und go!
Nummer dreizehn
bringt Unglück
denn das Ewig-Weibliche
stößt ihn
hinab.
Diese Insulanerin
ist
eine ferne Verwandte
von mir.
Es gingen drei Männer wohl durch den Wald
Der erste sagt: nun wird es bald
Der zweite sagt: zu alt zu alt
Der dritte: jetzt hat es perlmuttern geknallt.
Zwei Zecher
vor ihrem Becher
und eine Maid
ohne Kleid.