Gustav Stumpf (1888-1957)

Gefunden im „Kulturspiegel für den Kreis Auerbach/Vogtl. - Ausgabe November 1957 (Text: Dr. Friedrich Barthel, Falkenstein)

Deine Leuchter brennen, wenn du nicht mehr bist

(Zum Gedächtnis des Ellefelder Schnitzers Gustav Stumpf)

Ich will Ihnen einmal etwas Schönes zeigen", sagte der Wismutkumpel, den ich in seiner Behausung aufgesucht hatte, und ging in den Nebenraum. Als er zurückkam, stellte er vor mir auf den Tisch ein Schnitzwerk, einen kapitalen Hirsch. „Ist der nicht großartig?" meinte er freudestrahlend. Ich bejahte, und er fuhr fort: „Den nehme ich später mit in meine Heimat nach Mitteldeutschland als Andenken an das Vogtland und seinen Wald." Gemeinsam betrachteten wir die Schnitzerei.


Die angewandte Technik schien mir nicht unbekannt. Ich fragte nach dem Urheber. Auf den Namen konnte sich der Kumpel im Augenblick nicht besinnen. Er sagte mir nur, dass er den Hirsch in Ellefeld von einem Schnitzer erworben habe, der zur Zeit schwer krank darniederliege.. Also war es doch so: Der Hirsch, der später in einem Dorfe Mitteldeutschlands von vogtländischer Volkskunst künden wird, stammte von dem Schnitzer Gustav Stumpf aus Ellefeld, der leider viel zu früh am 8. September 1957 einem schweren Kehlkopfleiden erlag. Gustav Stumpf, am 7.3.1888 in Ellefeld geboren, als die vogtländische Schiffchenstickerei ihren Aufschwung nahm, erlernte das Sticken.

Über schwere Not und Krisenjahre hinweg blieb er Zeit seines Lebens dem für das Vogtland so typischen Hausgewerbe treu. Der einfache, schlichte Mann aus dem Volke war in einer kinderreichen Familie aufgewachsen. Sein Vater, von Beruf Tischler, bastelte gerne, und voller Stolz blickte die Kinderschar auf den großen mechanischen Weihnachtsberg, den der Vater für sie gebaut hatte. Vom Vater also mag der Sohn den Hang zum Basteln geerbt haben.

Zur schönen Volkskunst des Schnitzens kam Gustav Stumpf aber auf einem anderen Wege. Sein Bruder Kurt lernte im Jahre 1918 als kaufmännischer Lehrling in der Eisenhandlung Franz Lange, Falkenstein den Ofensetzmeister Adolf Büttner kennen, der aus Lößnitz i. Erzgeb. stammte und ein vortrefflicher Schnitzer war. Er ließ sich von ihm für das Schnitzen begeistern und griff selbst zum Schnitzmesser. Gustav interessierte sich wohl für die Volkskunst, die der Bruder betrieb, tat aber noch nicht mit. Der Funke zündete bei ihm erst, als die Gebrüder im Anschluss an die 1. Falkensteiner Weihnachtsbergschau im Jahre 1933 den Schnitzer Louis Bley in seiner Wohnung aufsuchten und der mit anwesende Schwiegersohn, ein Holzbildhauer, ihnen einen prächtig geschnitzten Hirsch zeigte, Von diesem Tage an war Gustav Stumpf nicht mehr zu halten. Er verschrieb sich der Volkskunst des Schnitzens. Nun wollte er auch solch schöne Hirsche schnitzen. In der dem Vogtländer eigenen Zähigkeit ging er ans Werk. Die ersten Versuche entmutigten ihn nicht. In Zusammenarbeit mit seinem Bruder entwickelte er sich stetig. Wo sich eine Gelegenheit bot, sich zu vervollkommnen, griff er zu. Als am 10. Februar 1951 die Falkensteiner Schnitzgruppe ins Leben gerufen wurde, trat er ihr freudig bei zusammen mit seinem Bruder Kurt Stumpf und Fritz Tröger. Im Laufe der Jahre stießen die Ellefelder Schnitzer Walter Eckstein, Oskar Lindner und Otto Strobel zur Falkensteiner Gruppe. Wenn die Ellefelder sich bislang nicht abspalteten, sondern Falkenstein als dem Mittelpunkt des Schnitzens im vogtländischen Räume die Treue hielten, dann ist das im wesentlichen Gustav Stumpf mit zu verdanken, der gerne die Schnitzstunden im ehemaligen Falkensteiner Schloß besuchte und die großen Weihnachtsausstellungen aufbauen und ausgestalten half. Gustav Stumpf war mit Leib und Seele Schnitzer, und seine Werke, aus der Liebe zur Heimat und ihren schaffenden Menschen geboren, sind Zeugnisse wahrer Volkskunst. Mit Vorliebe schnitzte er Hirsche, mit denen er im wesentlichen Gebrauchsgegenstände wie Tischlampen und Buchstützen zierte. Manches Thema für seine Schnitzarbeiten entnahm er dem Umkreis seiner Beobachtungen und Erfahrungen. Ein kleines Kunstwerk, in ein Glaskästchen eingebaut, ist die alte vogtländische Weberstube mit einer kinderreichen Familie, und die „Erdepfelreibere" ist ihm trefflich gelungen, weil sie erlebt ist. Im besonderen Maße widmete sich Gustav Stumpf der weihnachtlichen Volkskunst. Bewundernswert ist sein Drehturm, der in seiner Form den Nadelbaum des Vogtlandwaldes darstellt und auf seinen Scheiben Menschen und Tiere der Heimat vor den Augen des glücklichen Beschauers kreisen lässt. Nicht zuletzt ist dem Verstorbenen das Verdienst zuzuschreiben, dass er neben Fritz Tröger, Ellefeld, als einer der ersten sich redlich bemüht hat, dem alten vogtländischen Moosmann eine der Sage gemäße Gestalt zu geben und ihn somit wieder zu der typisch vogtländischen Weihnachtsfigur zu erheben.

Mit dem Hinscheiden Gustav Stumpfs hat die bildnerische Volkskunst im Vogtland einen ihrer eifrigsten und ehrlichsten Verfechter eingebüßt. Seine Hände schaffen nicht mehr, aber sein Geist lebt in seinen Werken weiter, die kommenden Schnitzergenerationen Vorbild und Ansporn sein werden. Ihm gelten die ergreifenden Worte, die der in Dresden lebende Falkensteiner Schriftsteller Otto Lindner einem Schnitzer gewidmet hat:

Du erfüllst im stillen

einen höchsten Willen

ohne Ruhm und List.

Mag dich niemand nennen,

deine Leuchter brennen,

wenn du nicht mehr bist.

(Dr. Friedrich Barthel Falkenstein)